Als Halbjüdin in Berlin

JUSTISIA SHIPENA
Lisa Machleidt

In der zweiten Schulwoche des Jahres hatten die Elft- und Zwölftklässler des DHPS DIA-Zweiges die wohl einmalige Chance mit einer Zeitzeugin aus dem zweiten Weltkrieg zu sprechen.

Frau Marianne Degginger empfing die Schüler, indem sie ihnen aus ihrem Leben erzählte, besonders was sie in den Jahren 1939-1945 erlebte. Sie wurde 1932, von einer jüdischen Mutter, in Berlin geboren und ist somit Halbjüdin. Dies war zu Zeiten des Nationalsozialismus weniger ideal, da Juden verfolgt und in Konzentrationslagern getötet wurden. So erinnert sich auch Frau Degginger daran, dass viele ihrer Verwandten auf einmal nicht mehr zu Besuch kamen, da diese, wie sie erst später erfuhr entweder geflohen waren, oder aber in KZ-Lager gebracht wurden. Außerdem erinnert sie sich daran, dass sie oft von den nicht jüdischen Kindern ausgeschlossen wurde, da es diesen verboten war mit ihr zu spielen. Dennoch erzählt sie von einer glücklichen Kindheit, dem Spielen im Hof, den Besuchen bei der Tante und dem aus dem Fenster schauen. Diese Erinnerungen verdankt sie besonders ihren sehr glücklich verheirateten Eltern, dem Vater, der jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr und ihrer Mutter, die zu Hause auf sie aufpasste. Doch irgendwann war es in Berlin nicht mehr sicher genug, sie schliefen schon jede Nacht im Keller, um vor den Bombenangriffen geschützt zu sein, doch nun mussten sie fort. Sie fanden bei einer Verwandten, welche im ländlichen Eibenstock wohnte Unterkunft, der Vater jedoch blieb in Berlin. Als die Familie nach Kriegsende wieder vereint war, war Marianne 13 Jahre alt. Später erlernte sie einen Beruf und wurde zweifache Mutter. Nun ist sie schon 86 Jahre alt, aber ihr Verstand ist jung geblieben, ebenso wie ihre Erzählungen, welche bei den Schülern einen tiefen Eindruck hinterließen.

Nach dem Bericht über ihr Leben, welchen es auch in Buchform „Marianne“ gibt hatten die Schüler die Möglichkeit Frau Degginger Fragen zu stellen, diese beantwortete sie ausführlich und ehrlich. Es wurden nebst Nachfragen zu ihren Erfahrungen auch Fragen gestellt, welche Aspekte, wie Schuld, Verzeihen und Vergessen thematisierten. Diese waren für die Schüler natürlich sehr interessant und Frau Deggingers Antwort, dass die Schüler keine Schuld, sondern die Verantwortung, dass so etwas nicht noch einmal passiert, tragen öffnete vielen die Augen.

„Sprachlos. Schockiert. Berührt. Es war für mich schrecklich zu sehen, wie sehr diese Lebensumstände Menschen erschüttert haben. Umso dankbarer bin ich jedoch, dass wir in Frieden leben dürfen.“ So beschreibt die Abiturientin Carissa Esslinger das Gefühl, mit welchem sie die Aula verließ.